Das II. Vatikanische Konzil im Licht des Katakombenpaktes – Fachtagung zum Auftakt des neuen ITP-Projekts

Das II. Vatikanische Konzil im Licht des Katakombenpaktes
Fachtagung zum Auftakt des neuen ITP-Projekts

Katja Strobel

Bald wird es 50 Jahre her sein, dass sich Bischöfe aus aller Welt in Rom zum II. Vatikanischen Konzil getroffen haben: Zwischen 1962 und 1965 haben sie sich in drei Etappen versammelt und wertvolle und weitreichende Beschlüsse zum Selbstverständnis der Kirche formuliert. Als Auftakt für ein Projekt, in dem wir in den nächsten Jahren die Konzilsanliegen aufgreifen wollen, hat das Institut für Theologie und Politik für den 23. und 24. April zu einer Fachtagung mit dem Titel „Das II. Vatikanische Konzil im Licht des Katakombenpaktes“ eingeladen (der Katakombenpakt ist eine Selbstverpflichtung von mehreren Bischöfen am Rande des Konzils, wir haben den Text im Rundbrief 32 vom November 2009 veröffentlicht).

Die teilnehmenden Theologinnen und Theologen deckten ein breites Spektrum ab, sowohl was das Lebensalter als auch die theologischen und kirchlichen Arbeitsfelder betrifft. Es wurden sehr unterschiedliche Sichtweisen auf das Konzil und seine Bedeutung heute deutlich, trotzdem war ein Konsens erkennbar: Die Perspektive auf das Konzil darf nicht auf eine Diskussion über Priesteramt, Zölibat und Kirchenstrukturen verengt werden, wie es derzeit in den Medien oft geschieht. Vielmehr muss es darum gehen, angemessen die Zeichen der Zeit zu erkennen und einen befreienden Glauben zu tradieren.

Dreifacher Blick auf das Konzil

Während der Fachtagung wurde das II. Vatikanum im Wesentlichen unter drei Perspektiven in den Blick genommen: erstens die Inhalte der Konzilstexte und ihre aktuelle Relevanz, zweitens das Ereignis des Konzils in seiner Bedeutung für die damalige Situation von Kirche und Gesellschaft und drittens die Frage danach, was das Konzil zwar angestoßen hat, aber nicht weiter verfolgt worden ist.

Die erste und zweite Perspektive standen im Mittelpunkt des ersten Tages. Johann-Baptist Metz, Elmar Klinger und Norbert Arntz erzählten aus ihrer Perspektive von der Bedeutung des Konzils für ihre Theologie.

Johann Baptist Metz betonte die Bedeutung der anthropologischen Wende für das Gottes- und das Kirchenthema: Es geht seither nicht mehr um „die Wahrheit“, sondern um die geschichtlichen Subjekte in ihrer Wahrheit. Dazu gehört auch die Religionsfreiheit und das entsprechende Dekret, das Metz als einen der „Aufreger“ bis heute identifizierte, und zwar vor allem in Gestalt der „negativen Religionsfreiheit“, also der Freiheit, keine Religion zu haben. Damit wurde von der Kirche erstmals die Legitimität des säkularen Menschen formuliert. Metz brachte aber auch grundsätzliche Fragen auf. So insistierte er darauf, dass das Konzil im Kontext seiner Zeit gesehen werden müsse und die heutigen Fragen anders gestellt werden müssten. Er fragte kritisch, ob es darum ginge, sich als Kirchen zurückzuziehen „in die Katakomben“. Und er warnte davor, das Konzil lediglich als Selbstbestätigung der Moderne zu feiern.

Der Mensch im Mittelpunkt

Elmar Klinger stellte die Errungenschaften des Konzils in den Mittelpunkt und bestand darauf, dass die katholische Kirche an ihre eigenen Beschlüsse erinnert werden müsse. Für ihn waren drei Punkte des Konzils zentral: Zunächst der unauflösliche Zusammenhang der Kirche „nach innen“ und der Kirche „nach außen“. Paradigmatisch steht meines Erachtens dafür die berühmte Aussage zu Beginn der Pastoralkonstitution Gaudium et spes (GS): „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst, der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ In der Konsequenz muss das Volk Gottes – so der zweite Punkt Klingers – als alle Menschen umfassend gedacht werden. Nicht als Vereinnahmung, wie ich hinzufügen möchte, sondern als Perspektive derjenigen, die in die Heilsgemeinschaft mit einbezogen werden. Drittens stehen die Menschen im Mittelpunkt der kirchlichen Auftrags und der Offenbarung, wie es vor allen Dingen im 3. Kapitel des Konstitution über die Offenbarung (Dei Verbum 11-13) formuliert ist: Gottes Wort wird von Menschen für Menschen verkündet.

Für eine Kirche der Armen und eine arme Kirche

Norbert Arntz legte den Schwerpunkt auf den Katakombenpakt als subversives Vermächtnis des Konzils, weil durch diese Selbstverpflichtung von am Konzil beteiligten Bischöfen eine direkte Linie vom Konzil zur lateinamerikanischen Befreiungstheologie deutlich wird. Arntz machte durch seine Erzählungen von seiner Zeit als Pfarrer in Peru begreifbar, wie die Anliegen des Konzils in direkter Weise im Leben und Handeln der Bischöfe, aber auch im Aufbau der Gemeinden der Indígenas in den Anden umgesetzt worden sind.

Konzilsgedenken als Herausforderung für Kirchen, die mitgestalten

Deutlich wurde, dass in der Erinnerung an die Beschlüsse des Konzils und an die Kämpfe auf dem und um das Konzil wertvolle Argumente für aktuelle Auseinandersetzungen um kirchliche Positionierungen gewonnen werden können. Klar wurde aber auch – und dies war vor allem Thema des zweiten Tages – dass im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit die Zeichen der Zeit, die Nöte der Menschen heute stehen müssen und dass wir daher um eine Erneuerung der Tradierung ringen müssen. Zur Sprache kamen dabei zum Beispiel die Vereinzelung und Überforderung der Menschen durch großen Druck in Erwerbsarbeit und Erwerbslosigkeit, aber auch die unmenschliche Einwanderungspolitik in BRD und EU und der fehlende Kontakt von Gemeindemitgliedern zu sozialen Bewegungen, die sich dieser Probleme annehmen.

Insgesamt war die Tagung sehr ermutigend. Wir werden das Projekt „II. Vatikanum: Erinnerung – Ereignis – Erneuerung“ angehen. Es geht um Kirchen als Tradierungsinstanzen eines befreienden Glaubens, um Gemeinschaften, die daran mitwirken, dass „eine neue Gesellschaftsordnung“ entsteht, „die der Würde der Menschen und Gotteskinder entspricht (…).“ (aus dem Katakombenpakt)

Zum Abschluss der Tagung wurden bereits eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen für Aktionen, Veranstaltungen und Medien entwickelt, auch KooperationspartnerInnen zur Mitgestaltung des Projekts wurden schon benannt. Und weitere Ideen werden sicherlich noch folgen… Wir sind selbst gespannt.