Ergebnisse aus dem Workshop „Risse in der Festung Europas“ – Selbstverpflichtungen im Geiste des Katakombenpakts

Der Text wurde in einer Arbeitsgruppe erarbeitet, die sich aus dem Workshop „Risse in der Festung Europas“ entwickelt hat. Er wurde zum Abschluss der Versammlung von über 140 Teilnehmenden unterschrieben.

Selbstverpflichtungen im Geiste des Katakombenpaktes

Viele Menschen befinden sich auf der Flucht. Auf der Suche nach einem besseren und menschenwürdigen Leben verlassen sie ihr Land aufgrund von Krieg und Verfolgung, wirtschaftlichen und politischen Nöten. Vor allem handelt es sich dabei um die Folge einer ungerechten und ausbeuterischen Wirtschaft, von der wenige auf Kosten vieler profitieren. Die Einzelschicksale der Geflüchteten sind unzählig, und jeder Mensch trägt seine eigene Geschichte mit sich, die von Leid und Schmerz geprägt ist.

Neben einer großen Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten artikulieren viele Menschen Ängste vor gesellschaftlichen Herausforderungen und Veränderungen. Viele dieser Ängste können wir nachvollziehen. Mit Unverständnis begegnen wir jedoch jenen, die vermeintlich christliche Werte in Anspruch nehmen, um Fremdenhass zu schüren und eine Politik der Abschottung zu propagieren. Wir ChristInnen sehen uns herausgefordert, das nicht hinzunehmen und gemäß unserer Überzeugungen im Licht des Evangeliums zu handeln.

Die Terroranschläge, die am 12.11.2015 in Beirut und einen Tag später in Paris verübt wurden, sind furchtbare Akte der Unmenschlichkeit. Während wir diesen Text verfassen, denken wir an die Getöteten und Verletzten und ihre Familien und FreundInnen. Wir denken auch an die Opfer des globalen Terrorismus, die wenig mediale Aufmerksamkeit erhalten. Wir verurteilen jede Form von Terror und Gewalt. Zugleich werden wir jeder Instrumentalisierung der Opfer für eine menschenfeindliche Rhetorik und Politik entschieden entgegentreten. Viele Geflüchtete sind vor der Bedrohung durch Krieg und Terror überhaupt erst in die Flucht geschlagen worden. Wir wehren uns gegen die Vergiftung der Herzen durch Generalverdächtigungen von Muslimas und Muslimen.

Dem setzen wir unseren Glauben an die Möglichkeit einer Welt entgegen, in der alle Menschen in Würde leben können. Wir glauben an einen befreienden Gott, der sich in der Geschichte unmissverständlich auf die Seite der Armgemachten und Unterdrückten gestellt hat. Als solcher hat er sich in der Geschichte des Volkes Israel, durch seine Propheten und in seinem Sohn Jesus von Nazareth erwiesen. ChristInsein bedeutet darum notwendig, sich auch heute an die Seite dieser Entrechteten zu stellen. Im Glauben an ein Leben in Fülle für alle sehen wir uns verbunden mit vielen Menschen anderer religiöser Überzeugungen und Weltanschauungen.

Darum erkennen wir an, dass wir als ProfiteurInnen der aktuellen Weltwirtschaftsordnung eine Mitschuld an der globalen Ungleichheit tragen, die zu Ausgrenzung, Armut und Krieg führt.

Aus diesen Gründen verpflichten wir uns, unseren eigenen Lebensstil immer wieder kritisch zu hinterfragen und anfragen zu lassen. Wir bemühen uns darum, uns von einer Lebensweise zu befreien, die ihre Erfüllung in Konsum und Besitz sucht. Wir wollen unseren Wohlstand mit anderen teilen.

Wir werden uns aktiv für die Bekämpfung herrschender Strukturen der Ungerechtigkeit und der Ausbeutung der Schöpfung einsetzen. Dabei verpflichten wir uns mit ihren Ressourcen schonend umzugehen und andere dazu zu ermutigen. Wir werden uns bemühen, Rechtsprechung und Rechtsordnung auf ihre Vereinbarkeit mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde hin anzufragen. Wir stellen uns gegen das Ausspielen Armer gegen Arme und treten für die Rechte aller Entrechteten ein.

Wir halten daran fest, dass eine andere Welt möglich ist, in der alle Menschen ein Leben in Würde führen können. Wir sehen uns verbunden mit all denen, die diese Vision – unabhängig von ihrer Religion oder Weltanschauung – mit uns teilen.